The Top Five Letters of Liaisons Dangereuses
Die Produktion „The Top Five Letters Of Liaisons Dangereuses“ ist eine in ihrer skulptural, prozesshaften Schönheit verstörende Arbeit über die Kontinuität gesellschaftlich konstruierter Macht- und Geschlechterverhältnisse – vom Ancien Regime bis in unsere Gegenwart – und die damit verbundenen Gewaltverhältnisse. Das bunte Tuch, das in ritualisierter Choreographie über die gesamte Bühne entfaltet wird, lässt in Bewegung gebracht den Raum Falten schlage, lässt Landschaften entstehen und fängt das Licht in unterschiedlichsten Schattierungen ein. So macht es vergessen, dass die betörenden Bewegungen Voraussetzung sind, dass Leid, Lügen und misogyne Ernierdrigungen so perfekt darunter verborgen sind – die Währung der Machtspiele und Intrigen und ihre tödliche Konsequenz. Wer ist wirklich bereit, die Einladung ins Schloss auszuschlagen – Schönheit, Privilegien und Komfort der bestehenden Verhältnisse aufzugeben? Wer ist bereit für die Verletzlichkeit, Verunsicherung und Sprachlosigkeit? Für Trauer und Mitgefühl, um Veränderung möglich werden zu lassen, wenn die vergifteten Schleier sich heben?
„Es ist gut eine Frau zu sein, Valmot, und kein Sieger.“
„Things do end …. ha, ha, ha ...“
Credits
Idee & Umsetzung: Showcase Beat Le Mot mit: Christopher-Felix Hahn, Melisa Su Taşkıran, Jeremy Wade / Produktions-Dramaturgie: Christopher-Felix Hahn / Musik: Barbara Morgenstern, Mike Majkowski / Kostüm: Knut Klaßen, Marc Aschenbrenner / Ausstattung: Knut Klaßen, Marc Aschenbrenner, Showcase Beat Le Mot / Choreographische Beratung: Jeremy Wade / Workshop: Antje Pfundtner / Bühne: Şenol Şentürk / Projektionen: Tom Wölke / Grafik: Anne Kube / Technische Leitung: Bart Huybrechts / Produktionsleitung: Olaf Nachtwey
The Top Five Letters of Liaisons Dangereuses ist eine Produktion von Showcase Beat Le Mot mit HAU Hebbel am Ufer. Gefördert durch die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa.
Besprechungen
„Showcase Beat Le Mot sind die Meister des entspannt Rätselhaften – was ihre neue Produktion zum Beispiel mit dem titelgebenden Briefroman von Laclos zu tun hat, erschließt sich erst ungefähr gegen Ende. Trotzdem gibt es einiges zu erleben, und eine schöne Einladung zum Verstecken spielen. ...“
(nachtkritik, 12.01.2024, Christian Rakow, „Achtung Atmosphäre“)
„Erwartbarer Weise interessieren sich Showcase Beat Le Mot weniger für werktreu verhandelte Intrigen und Details aus dem Ränkespiel der Marquise de Merteuil und des Vicomte de Valmont,“ schreibt Patrick Wildermann im Berliner Tagesspiegel (13.1.2024). Sehr interessiert sich das Kollektiv seinem Eindruck zufolge jedoch „für den Background der aufziehenden französischen Revolution und die Frage, wie die menschlichen Beziehungen beschaffen sein müssen.“ Der „Teppich an Deutungsofferten“ der in diesem Kontext ausgerollt werde, sei „sehr bildmächtig“ und – wie fast immer bei diesem Kollektiv – „auch sehr vergnüglich.“ Auch diesmal breche die Gruppe
„mit vollen Segeln ins Ungewisse auf, also dorthin, wo es spannend wird“.
(Tagesspiegel, 12.01.2024, Patrick Wildermann, „Komm unter meine Decke“)
Von einer Orgie mit Ballonseide spricht Sophie Klieeisen in der Berliner Morgenpost (13.1.2024). Alles sei „offensichtlich und subtil zugleich an diesem Abend“, dem sie zwar einiges an
visuellem Spektakelpotenzial zugesteht, der in der Summe für sie jedoch etwas indifferent bleibt. „Es ist wie zu Anfang der Nullerjahre in Berlin, als alles noch offen, aber schon verlässlich war. Die Zähne, die damals reißen konnten, sind heute stumpfer. Doch noch singt das Theremin.“
(Berliner Morgenpost, 12.01.2024, Sophie Klieeisen „Eine Orgie mit Hochprozentigem und Ballonseide im HAU“)
„Klar, wer Showcase Beat Le Mot kennt, wird keine werktreue Geschichte um Intrigen, Lust und Rache erwartet haben, doch von Revolution, von der in der Ankündigung des Abends die
Ränkespiel der Marquise de Merteuil und des Vicomte de Rede war, ist ebenfalls nichts zu spüren“, sagt Barbara Berrendt in der Sendung „Kultur heute“ auf Deutschlandfunk (12.1.2024). Die „lässigen postdramatischen Zauberkünstler von Showcase Beat Le Mot“ seien „für die Lust am sinnlichen Kinderspiel bekannt.“ – „Einlassen und Entspannen sind hier die Zauberformeln“
(Deutschlandfunk, 12.01.2024, Barabara Behrendt)





Showcase Beat Le Mot
ist eine Versuchsanordnung im Labor, eine Beschwörung, eine gläserne Kugel mit eingeschlossener Zukunft, eine Wahrsagerin, eine Gefangene in der Gummizelle, der rosarote Panther mit dem rosa Farbeimer, ein Zauberlehrling, eine Geisterfahrerin, ein Blindgänger, ein Folly und eine Zwischenwand, eine leere Tafel, die verlorenen Gebote 11 bis 21, der Teufelsdreiklang, die Sirenen, ein U Boot oder Jonas Wal, vier Kleiderstangen, zwei Öltanks, eine Galerie ohne Werke, ein Experiment ohne Auftrag, ein Holzweg, eine Kerze mit zwei Enden, viele Tennisbälle, ein Überseekoffer, ein Nachtsichtgerät, Fernglas falsch herum, ein Handtaschenimitat.
Video – Mitschnitt
Interview
Die Theatergruppe Showcase Beat Le Mot ist seit seit 25 Jahren unrenommiert, nicht angepasst und vieldeutig. Der Besuch ihrer Stücke hält häufig Überraschungen bereit und hinterlässt mehr Fragezeichen als Bestätigung des Tageswissens. Ihre, der Welt zugewandte Gelassenheit, brauchen sie als Geisterfahrer der Theatergeschichte auch dringend. SCBLM ist eine Wanderbühne, deren Laufrichtung rätselhaft bleibt.
Frage: Wie sind sie eigentlich auf die Idee gekommen die gefährlichen Liebschaften zu inszenieren?
Showcase: Jemand sagte zu uns: Hey, da gibt es einen Briefroman aus der Zeit vor dem Radio und Fernsehen, ohne Internet und Kurznachrichten.
Mot: Wir erinnerten uns an den Film und das Quartett von Heiner Müller.
Le: Wir dachten zuerst, oh wow, erotische Literatur. - Interessanter an dem Buch ist allerdings die Verführung, Manipulation, Rechte der Frauen als Fragestellung, Abhängigkeit vom Adelsvorstand und Klerus. Damals erbte der männliche erstgeborene Alles und die Verwandten waren von ihm abhängig.
Beat: Dabei fiel uns auf, dass wir häufig Stücke über Revolutionen machen: Gescheiterte Revolutionen, der Große Sprung in China, die Pariser Commune…
Showcase: Der Roman spielt am Vorabend der französischen Revolution. Der Adel ist nur mit sich selbst beschäftigt, mit Machtspielen, Verführung und Tortenschlachten. Dabei haben wir uns vorgestellt, wie die Angestellten und die weniger adligen keinen Bock mehr auf diese Dekadenz haben und im Hinterzimmer schon mal an der Guillotine arbeiten.
Mot: 1790 ging es ja auch mit der Industrialisierung los, mit den Fabriken. Eine Folge davon war der Aufstieg des Bürgertums, das Ende der arrangierten Vernunftsheirat und der Beginn der romantischen Liebesheirat. Le: Wobei ja immer noch die Männer auf all dem Geld saßen, und sich die Idee der Liebe vor allem für Männer als vorteilhaft erweisen sollte. Sie schöpften Kraft aus der Beziehung, während Frauen auf die Care- Arbeit reduziert wurden.
Frage: In der Kunst gibt es häufig die Haltung, das eigene Werk oder sich selbst wichtig zu nehmen. Bis hin zur Überhöhung, Prätentiösität und Heiligkeit. Bei Ihnen scheint das anders zu laufen.
Showcase: Bei SCBLM geschehen die Dinge oftmals gleichzeitig und viele Handlungen und Erzählungen sind gleich wichtig. Das wird manchmal als Arroganz oder Weltabgewandheit angesehen, ist aber das genaue Gegenteil. Mit unserer eleganten Nachlässigkeit möchten SCBLM nicht weniger als die Weltsicht verändern, die vorgebliche Alternativlosigkeit verabschieden. Resonanzräume öffnen, Schwingungen anstoßen und alle Türen immer für Durchzug geöffnet lassen, bis Black Metal zu Coloured Crispy Noise wird. SCBLM folgen dem Knistern.
Frage: Musikalität also?
Beat: Genau. Wie das allmähliche Suchen nach Tönen und Melodien. Manchmal treffen wir den falschen Ton, der dann wie eine Frage klingt, auf die wir von der Gesellschaft mit Verzögerung die richtigen Antworten bekommen.