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The Top Five Letters of Liaisons Dangereuses

Während es in dem Roman „Gefährliche Liebschaften“ aus dem Ancien Régime vordergründig um Liebe, Lust & Lügen geht, entspinnt sich in den 175 Briefen ein Sittengemälde des Adels, dessen erhabener Beruf es ist, die Zeit totzuschlagen. Verführung, Täuschung, Erniedrigung und Machtspiele sind der Zeitvertreib in den Salons der Schlösser und Herrenhäuser. Derweil schärfen die Bediensteten am Vorabend der französischen Revolution schon die Klinge der Guillotine dangereuse.

Das Stück beginnt am Ende einer Soiree in einem Salon. Dort gibt es Troddeln, Zotteln und Palmwedel, Chaises Longues und weiche Kissen. Das Stück endet mit der Öffnung der Volieren und die gefangenen Tiere fliegen in die Freiheit. Wenn die Geigenmusik einsetzt, ist die gute Laune auch schon wieder da. Die Bauern stecken ihre Köpfe durch das Schlossgitter und genießen aus der Ferne die Pracht des Festes und das einsetzende Feuer.

„Es ist gut eine Frau zu sein, Valmot, und kein Sieger.“


Credits

"The Top Five Letters of Liaisons Dangereuses" ist eine Produktion von Showcase Beat Le Mot in Koproduktion mit HAU Hebbel am Ufer. Gefördert durch die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa.

Idee, Umsetzung: Showcase Beat Le Mot mit: Melisa Su Taşkıran / Musik: Barbara Morgenstern, Mike Majkowski / Künstlerische Mitarbeit: Christopher Felix Hahn / Kostüm, Ausstattung: Knut Klaßen, Marc Aschenbrenner, Showcase Beat Le Mot / Bühne: Şenol Şentürk / Lichtdesign: Bart Huybrechts Dia-Installation: Tom Wöhlke / Grafik: Anne Kube / Choreografische Beratung: Antje Pfundtner, Jeremy Wade / Technische Leitung: Bart Huybrechts / Produktionsleitung: Olaf Nachtwey


Besprechungen

„Showcase Beat Le Mot sind die Meister des entspannt Rätselhaften – was ihre neue Produktion zum Beispiel mit dem titelgebenden Briefroman von Laclos zu tun hat, erschließt sich erst ungefähr gegen Ende. Trotzdem gibt es einiges zu erleben, und eine schöne Einladung zum Verstecken spielen. …“

"Erwartbarer Weise interessieren sich Showcase Beat Le Mot weniger für werktreu verhandelte Intrigen und Details aus dem Ränkespiel der Marquise de Merteuil und des Vicomte de Valmont," schreibt Patrick Wildermann im Berliner Tagesspiegel (13.1.2024). Sehr interessiert sich das Kollektiv seinem Eindruck zufolge jedoch "für den Background der aufziehenden französischen Revolution und die Frage, wie die menschlichen Beziehungen beschaffen sein müssen." Der "Teppich an Deutungsofferten" der in diesem Kontext ausgerollt werde, sei "sehr bildmächtig" und – wie fast immer bei diesem Kollektiv – "auch sehr vergnüglich." Auch diesmal breche die Gruppe "mit vollen Segeln ins Ungewisse auf, also dorthin, wo es spannend wird".

Von einer Orgie mit Ballonseide spricht Sophie Klieeisen in der Berliner Morgenpost (13.1.2024). Alles sei "offensichtlich und subtil zugleich an diesem Abend", dem sie zwar einiges an visuellem Spektakelpotenzial zugesteht, der in der Summe für sie jedoch etwas indifferent bleibt. "Es ist wie zu Anfang der Nullerjahre in Berlin, als alles noch offen, aber schon verlässlich war. Die Zähne, die damals reißen konnten, sind heute stumpfer. Doch noch singt das Theremin."

  • Barabara Behrendt in Deutschlandfunk v. 12.1.2024

"Klar, wer Showcase Beat Le Mot kennt, wird keine werktreue Geschichte um Intrigen, Lust und Rache erwartet haben, doch von Revolution, von der in der Ankündigung des Abends die Rede war, ist ebenfalls nichts zu spüren", sagt Barbara Behrendtin der Sendung "Kultur heute" auf Deutschlandfunk (12.1.2024). Die "lässigen postdramatischen Zauberkünstler von Showcase Beat Le Mot" seien "für die Lust am sinnlichen Kinderspiel bekannt." – "Einlassen und Entspannen sind hier die Zauberformeln"

Die Performancegruppe Showcase Beat Le Mot macht ihrem Namen alle Ehre. Ohne viele Worte verführt sie ihr Publikum in „The Top Five Letters of Liaisons Dangereuses” am Berliner HAU mit einer Show aus Spiel, Instrumenten und Mischpult.

„The Top Five Letters“ ist jetzt ein Fest fürs Auge, umgeben von einer demonstrativen Stille...Was vor uns real während der Vorstellung entstanden ist, ist ein Luftschloss, ein temporärer Raum...Das Wesen der Revolution erscheint bei der aktuellen Performance von Showcase Beat Le Mot zu starken Bildern..."

 

Besprechungen


SCBLM

ist eine Versuchsanordnung im Labor, eine Beschwörung, eine gläserne Kugel mit eingeschlossener Zukunft, eine Wahrsagerin, eine Gefangene in der Gummizelle, der rosarote Panther mit dem rosa Farbeimer, ein Zauberlehrling, eine Geisterfahrerin, ein Blindgänger, ein Folly und eine Zwischenwand, eine leere Tafel, die verlorenen Gebote 11 bis 21, der Teufelsdreiklang, die Sirenen, ein U Boot oder Jonas Wal, vier Kleiderstangen, zwei Öltanks, eine Galerie ohne Werke, ein Experiment ohne Auftrag, ein Holzweg, eine Kerze mit zwei Enden, viele Tennisbälle, ein Überseekoffer, ein Nachtsichtgerät, Fernglas falsch herum, ein Handtaschenimitat.


Interview

Die Theatergruppe Showcase Beat Le Mot ist seit seit 25 Jahren unrenommiert, nicht angepasst und vieldeutig. Der Besuch ihrer Stücke hält häufig Überraschungen bereit und hinterlässt mehr Fragezeichen als Bestätigung des Tageswissens. Ihre, der Welt zugewandte Gelassenheit, brauchen sie als Geisterfahrer der Theatergeschichte auch dringend. SCBLM ist eine Wanderbühne, deren Laufrichtung rätselhaft bleibt.

Frage: Wie sind sie eigentlich auf die Idee gekommen die gefährlichen Liebschaften zu inszenieren?

Showcase: Jemand sagte zu uns: Hey, da gibt es einen Briefroman aus der Zeit vor dem Radio und Fernsehen, ohne Internet und Kurznachrichten.

Mot: Wir erinnerten uns an den Film und das Quartett von Heiner Müller.                                                          

Le: Wir dachten zuerst, oh wow, erotische Literatur. - Interessanter an dem Buch ist allerdings die Verführung, Manipulation, Rechte der Frauen als Fragestellung, Abhängigkeit vom Adelsvorstand und Klerus. Damals erbte der männliche erstgeborene Alles und die Verwandten waren von ihm abhängig.                  

Beat: Dabei fiel uns auf, dass wir häufig Stücke über Revolutionen machen: Gescheiterte Revolutionen, der Große Sprung in China, die Pariser Commune…                                                                                            

Showcase: Der Roman spielt am Vorabend der französischen Revolution. Der Adel ist nur mit sich selbst beschäftigt, mit Machtspielen, Verführung und Tortenschlachten. Dabei haben wir uns vorgestellt, wie die Angestellten und die weniger adligen keinen Bock mehr auf diese Dekadenz haben und im Hinterzimmer schon mal an der Guillotine arbeiten.                                                                                                                      

Mot: 1790 ging es ja auch mit der Industrialisierung los, mit den Fabriken. Eine Folge davon war der Aufstieg des Bürgertums, das Ende der arrangierten Vernunftsheirat und der Beginn der romantischen Liebesheirat. Le: Wobei ja immer noch die Männer auf all dem Geld saßen, und sich die Idee der Liebe vor allem für Männer als vorteilhaft erweisen sollte. Sie schöpften Kraft aus der Beziehung, während Frauen auf die Care- Arbeit reduziert wurden.

Frage: In der Kunst gibt es häufig die Haltung, das eigene Werk oder sich selbst wichtig zu nehmen. Bis hin zur Überhöhung, Prätentiösität und Heiligkeit. Bei Ihnen scheint das anders zu laufen.

Showcase: Bei SCBLM geschehen die Dinge oftmals gleichzeitig und viele Handlungen und Erzählungen sind gleich wichtig. Das wird manchmal als Arroganz oder Weltabgewandheit angesehen, ist aber das genaue Gegenteil. Mit unserer eleganten Nachlässigkeit möchten SCBLM nicht weniger als die Weltsicht verändern, die vorgebliche Alternativlosigkeit verabschieden. Resonanzräume öffnen, Schwingungen anstoßen und alle Türen immer für Durchzug geöffnet lassen, bis Black Metal zu Coloured Crispy Noise wird. SCBLM folgen dem Knistern.                                                                                                                                            

Frage: Musikalität also?                                                                                                                                          

Beat: Genau. Wie das allmähliche Suchen nach Tönen und Melodien. Manchmal treffen wir den falschen Ton, der dann wie eine Frage klingt, auf die wir von der Gesellschaft mit Verzögerung die richtigen Antworten bekommen.