Der Freischütz – Oper von Carl Maria von Weber
Wem ist noch zu trauen, wenn der Reisebus in den dunklen Wald abbiegt, wenn Tenor und Bass sich bewaffnen, wenn das Wild sich durch geheimnisvolle Laute verständigt, wenn die Bäume Funksignale austauschen? Dem Busfahrer mit seinem Faible für Wolfsschlucht-Remixe jedenfalls nicht. Wer ist Chorsänger, wer Solist? Was ist Requisit, was Schusswaffe? Sicher ist nur, dass Der Freischütz den Bechdel-Test nicht bestehen würde. Und um Mitternacht öffnen sich die Pforten der Hölle!
„Schöner grüner Jungfernkranz“ und „Joho-trallala“: Der Freischütz ist eine Oper der Chor-Hits, die schon bald nach der Uraufführung zu Volksliedern wurden. Aber hinter der idyllischen Fassade einer gemeinsam singenden Gemeinschaft lauert das Grauen: Gruppendruck, Neid und Aberglaube, schlimme Vergangenheiten, Versagensängste und Mobbing. Vielleicht war es das Erfolgsgeheimnis von Carl Maria von Weber, dass er die musikalischen Ausdrucksmittel für die Ängste einer Zwangsgemeinschaft fand.
Die Performancegruppe Showcase Beat Le Mot inszeniert mit Der Freischütz ihre erste Oper. Dabei gilt ihr besonderes Interesse dem Opernchor als Verkörperung einer ausufernden Musikmaschine, aber auch als Schauplatz sozialer Prozesse, auf dem sich die Opernhandlung in vielfältiger Weise doppelt.
Credits
Musikalische Leitung: Ektoras Tartanis / Regie: Showcase Beat Le Mot / Bühne: Antonia Kamp, René Fußhöller / Kostüme: Clemens Leander / Video, Licht: Joscha Eckert / Beleuchtungsmeister: Michael Philipp / Ton: Kai Littkopf / / Dramaturgie: Tatjana Beyer, Annika Hertwig, Ann Christine Mecke / Produktionsleitung Showcase Beat Le Mot: Olaf Nachtwey / Chorleitung: Norbert Kleinschmidt / Studienleitung und Musikalische Assistenz: Thomas Schmieger /Korrepetition: Andrea Mele, Hiroki Ojika, Changmin Park, Johannes Knapp / Regieassistenz und Abendspielleitung: Sebastian Krauß /Regieassistenz 2020: Kristýna Kraus / Inspizienz: Cornelia Dettmers / Bühnenbildassistenz: Samuel Herger / Bühnenbildassistenz 2020: Paula Mierzowsky / Kostümassistenz: Milagros Pia del Pilar Salecker / Bühnenbildhospitantin: Nora Petzold / Kostümhospitantin: Miriam Ortlieb / Übertitel: Claudia Jentzen (Einrichtung) Norbert Eßer, Carla Brazell, Jörg M. Krause / Technische Einrichtung: Felix Klemp / Beleuchtungseinrichtung: Michael Philipp / Ton: Kai Littkopf / Video: Daniel Lonzano / Requisite: Jonas Ladwig
Leitungen der Abteilungen
Technische Leitung: Beate Kahnert / Werkstattleitung: Alexander Albiker / Referentin der Technischen Direktion: Anne Kaiser / Theaterobermeister: Stephan Lux Beleuchtung: Dorothee Hoff, Michael Philipp / Requisite: Eva Haberlandt / Tontechnik: Jonas Gottschall / Maske: Michael Shaw / Schneiderei: Jörg Hauser /
Schreinerei: Wolfgang Dreher / Schlosserei: Bernd Stöcklin / Malsaal: Christoph Bruckert / Dekoration: Martin Grosser / Theaterplastik: Dario van de Meulenreek / Rüstmeister: Raphael Weber
Der Freischütz ist eine Produktion von Showcase Beat Le Mot mit dem Theater Freiburg und dem Konzert Theater Bern. Gefördert durch den Fonds Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes.
Besprechungen
".... Grusel wie im Film."
(von in Badische Zeitung vom 4.10.2022, Alexander Dick, "Wo ist die Wolfsschlucht")
"Welch wunderbare Überraschung."
(@Badische Zeitung, Ingeborg Gleichauf)
"Ich habe diese Oper schon an vielen Bühnen gesehen. Selten aber hat mir das Zusehen so viel Spaß bereitet wie in dieser phantasievollen Aufführung."
(@ Badische Zeitung, Manfred Böll)
"So kann’s gehen: Da holt man sich für eine der beliebtesten aber angestaubtesten Opern eine angesagte, postdramatische Performancetruppe ans Haus, um die Jäger-Oper „Freischütz“ diskursiv und neu anzugehen – und dann stellen die einen Wald auf, so naturalistisch, dass die Sängerinnen ausrufen: „Hatten wir je solche Bäume auf der Bühne!“ Schöne Pointe.
Doch natürlich ist bei der ersten Opernproduktion von Showcase Beat Le Mot (SBLM) der Wald kein Wald, und der nächtliche Forstweg, der zur Ouvertüre auf dem Vorhang aus Fahrerperspektive in den Tann führt, in Wahrheit ein Highway zur Hölle. Webers hochromantische Oper, in der Frauen wie Trophäen an den besten Schützen verteilt werden und der Teufel die Kugeln lenkt, wird zunächst zur Seite gerollt. Denn der auf dem Weg zur Premiere mit einem klapprigen Bus hilflos im Wald gestrandete Chor singt die Oper einfach selbst – „Victoria!“, dass es scheppert. Doch die Solisten und Solistinnen sitzen im Flieger. Der Busfahrer (Martin Müller-Reisinger) teilt rasch die Rollen ein, und nach Neid und Zögern geht’s los.
Showcase Beat Le Mot hat in Freiburg den „Teufel mit den drei goldenen Haaren“ und „Walden“ verantwortet, bis das Theater das nächste Waldstück vorschlug – 2020 fiel die fast fertige Produktion aus, jetzt kann sie endlich über die Bühne gehen, praktisch unverändert. Der Regieansatz bleibt riskant. Dramaturgisch, denn wie lässt sich mit einer „als ob“-Konstellation Spannung oder Glaubwürdigkeit aufbauen? Freilich nimmt der SBLM-„Freischütz“ nach dem berühmten Freikugelgießen in der Wolfsschlucht eine Wende, die radikal genug ist, um das Stück unter Zug zu halten: Nach einer undefiniert langen Zeit des Festsitzens hat sich im Wald ein brutale Männergesellschaft ausgebildet. Und die Figuren, ihre Charakterisierung? Hier setzt die Gruppe zum einen auf die Musik. Die erzähle eine ganz andere Geschichte, ist Ännchen (Katharina Ruckgaber) einmal erstaunt. „In der Oper gewinnt die Musik immer“, sagt Veit Sprenger im BZ-Gespräch. Zum anderen wird das Geschehen konsequent gespiegelt: Klagt Max über seine Angst vor dem elenden Probeschuss, der ihm Glück oder Untergang bringt, zittert hier der angebliche Chorsänger (Roberto Gionfroddo), der plötzlich eine Arie schmettern soll.
Die heute zum Teil schwer erträglichen Originaldialoge („Alles in Güte und Liebe, werter Herr Erbförster“) ersetzen Texte, die gemeinsam mit den Sängerinnen und Sängern entwickelt wurden, wie Dariusz Kostyra sagt. Lieber im Wald als im „Dschungel des Patriarchats“, sagt Agathe (Caroline Melzer) über die Welt einer „Jungsoper“, in der die einzigen Frauen nur über die Kerle reden – die bekommen die Arien, für sie bliebe nur eine Arietta, klagt auch Ännchen.
In der Jägergesellschaft mit ihren Standesriten, die uns so fern seien wie der religiöse Erlösungsüberbau der Oper, fand das vierköpfige Team viele zeitlose Themen, sagt Thorsten Eibeler: Neiddebatten, Aberglaube, Versagensangst, Mobbing. Oder den enormen Druck, den Weber im hämischen „Was traf er denn, hehehe?“ auskomponiert hat.
Damit die Freischützen nicht auf Gewehre verzichten müssen, fahren im Bus die Requisiten mit. Doch kann man damit schießen? Um „so weit wie möglich weg von Lederjoppen und Hirschhornknöpfen“ zu kommen, tragen von Bass bis Sopran nun fast alle Kleider. Darin sieht Sprenger eine Utopie: „Wir suchen in allem ein Happy End.“ Auch wenn man dafür durch die Hölle muss."
(Badische Zeitung, September, 30th, 2022, René Zipperlen, "Dschungel des Patriarchats")
"Die neu geschriebenen Dialoge (bringen) Tempo, Witz und auch eine gewisse Distanz zur hanebüchenen, mit Gespensterromantik aufgeladenen Geschichte hinein. Statt eines Steinadlers schießt Roberto Gionfriddo als Max einen Scheinwerfer ab. Agathe (Caroline Melzer) und Ännchen (Janina Staub) regen sich über Friedrich Kinds Libretto auf, in dem Frauen nur als Trophäen vorkommen. Und wenn Agathe sich vor ihrer Arie 'Wie nahte mir der Schlummer' eine Zigarette anzündet, dann hat das etwas schön subversives."
(von Georg Rudiger in KulturJoker, Georg Rudiger, "Unterhose im Unterholz")
"Nett ist der Einfall, dem Opern- und Extrachor (...) so viel Präsenz einzuräumen. Der Chor spielt die Hauptrolle - und wird dieser gerecht. Das Frauenduo Agathe und Ännchen ist gelungen, ihre Partien sind stark, trotz nötiger Zartheit, welche nebst postulierter Unabhängigkeit funktioniert. (...) Auch der kurze Auftritt von Yunus Schahinger als Kuno unterhält. (...) Ein weiteres Glanzstück ist das Bühnenbild (Antonia Kamp, René Fusshöller), so treffend atmosphärisch, wie es in der Gestaltung ist, könnte man meinen, man stünde nächtens auf irgendeiner Lichtung des eigenen Heimatwaldes."
(Elisa Engler in Opernglas 11/22, Elisa Engler, „Der Freischütz)
Video – Trailer 02
KOLLEKTIVGEDANKEN
Ein Interview mit Showcase Beat Le Mot von und mit der Musikdramaturgin Annika Hertwig
Ihr habt der Oper, die aus gesprochenen Passagen und musikalischen Nummern besteht, eine neue Rahmenhandlung gegeben. Dafür habt ihr selbst neue Dialoge verfasst. Was hat euch dazu bewogen?
Durch die Kraft der Musik ist die Oper letztlich immer überlegen. Aber sie bietet auch Lücken, die man nutzen kann und nutzen sollte. Eine solche Lücke ist – speziell bei einem Singspiel wie dem FREISCHÜTZ – der Dialogtext. Hier kann man eine distanziertere Position einnehmen und das scheinbar geschlossene Werk einmal von außen betrachten und befragen.
Wir haben als Rahmenhandlung die Geschichte von einem Opernchor entwickelt, der auf dem Weg zum Gastspiel mit einem Reisebus im Wald stecken bleibt. Allmählich entsteht im Wald eine Parallelgesellschaft, deren Handlungen immer mehr in den Sog der Opernhandlung geraten. Zugleich gibt es Figuren, die sich dieser Opernhandlung widersetzen. Ännchen und Agathe beispielsweise entsprechen im Originallibretto einem sehr altbackenen Frauenbild. In unserer Rahmenhandlung wehren sie sich dagegen. Sie wollen nicht mehr nur Trophäen sein, die man im Wettschießen gewinnt und die zu Hause sitzen und sich Sorgen machen. Sie wollen das Geschehen mitbestimmen und tun das auch.
Im Libretto steckt so viel patriarchalischer, sexistischer und klassistischer Unsinn, dass wir diesen nicht unkommentiert stehen lassen konnten. Würden wir für die Schauspiel sparte mit so einem Text arbeiten, würden wir ihn vermutlich so sehr zerpflücken, skelettieren und an anderen Texten zerreiben, dass davon nicht mehr viel übrigbliebe.
Woher kommen die Themen, die ihr in den FREISCHÜTZ einbringt?
Wenn ein Chor von Freiburg aus zum Gast spiel fährt, um dort den FREISCHÜTZ aufzuführen und in einem Bus im Wald stecken bleibt, dann ergeben sich ganz natürlich neue Dialoge.
Da kommen die Themen aus unterschiedlichen Richtungen, zum Beispiel aus der Arbeitswelt – in diesem Fall der Parallelwelt des Theaters – aus populären Genres wie Horror und Actionkino, aus Jagd und Forstwirtschaft, Geschichte, Soziologie, Migration und eben auch aus der Welt der Liebesbeziehungen und ihrer Probleme wie sie jeder kennt. Die neue Dialoge geben uns außerdem die Möglichkeit ästhetische Fragen anzusprechen, die uns wichtig sind: Was ist echt in der Oper? Sind es die Gewehre, die Gefühle? Welchen Stellenwert haben die Dinge, also das Licht, die Requisiten, die Kostüme, die Bühne etc. im Vergleich zu den menschlichen Akteuren? Welche Hierarchien gibt es zwischen den menschlichen Akteuren, zwischen Chor und Solist:innen oder zwischen musikalischer Leitung und Regie? Das sind Fragen, die wir auch in unseren Performances und Theaterstücken immer wieder thematisieren, die in der Oper, diesem Paradigma für Reproduktionskunst, jedoch viel vordergründiger sind.
In den musikalischen Nummern bleibt das Originallibretto erhalten. Wieso habt ihr die Oper trotzdem inszeniert?
Mit Musik haben wir in unseren Stücken ja schon immer gearbeitet. Bei jeder Produktion beauftragen wir Musiker:innen mit einem Score. Hier ist der Score zwar schon vorhanden, aber er erfüllt eine ähnliche Funktion wie sonst auch: Er gibt einen rhythmisch atmosphärischen Spannungsbogen vor und bewahrt uns vor der Langeweile des Informations- und Belehrungstheaters. Die Musik Webers ist so kraftvoll und viel breiter, als alles was wir bis jetzt gemacht haben. Wir haben bisher mit Elektronikmusiker:innen aus dem Pop wie Albrecht Kunze, Thies Mynther, Mense Reents, Barbara Morgen stern und Andreas Dorau zusammen gearbeitet. Da kann gewöhnlich ein Mensch mit seiner Elektrotechnik ein ganzes Orchester sein. Hier ist alles handgemacht und live. Das gibt dem Geschehen eine Feierlichkeit, wie wir sie selten erreichen.
Die Arbeitsatmosphäre im Musiktheater ist getragen von gegenseitiger Achtung und Rücksichtnahme. Das ist sehr schön und kommt unserer Utopie einer Kollektivkünstlerischen Arbeitsweise sehr entgegen.
Die Analogie „Singen ist wie schießen – beim Singen triffst du Töne, beim Schießen triffst du Ziele“ wird von Kaspar angesprochen. Was bezweckt er damit?
Wenn jeder Schuss ein Treffer ist, dann wäre ja jede:r ein:e Opernsänger:in. So ein Kaspar.
In der Rahmenhandlung werden die Solopartien aus dem Chor heraus besetzt, weil die Solist:innen mit dem Flugzeug reisen und deshalb nicht mit im Wald gestrandet sind. Herr Wolf (Roberto Gionfriddo), der plötzlich den Max singen soll, hat Angst, dass er die Partie nicht schafft. Die Freikugeln, die Kaspar ihm anbietet, erfüllen zwei Funktionen: Auf der Ebene der Opernhandlung soll er damit den Probeschuss bestehen und Agathe gewinnen. In der Rahmenhandlung helfen sie ihm wie Halspastillen, die gewaltige Partie zu singen und seine Exfrau (Caroline Melzer), die sich von ihm distanziert, zurückzuge winnen. Die beiden Handlungen haben also die Versagensangst der Hauptfigur gemein sam.
Die Rahmenhandlung führt auch eine neue Figur im Personal ein. Wie kam es zum Busfahrer und der Besetzung mit Martin Müller-Reisinger?
Der Busfahrer ist im Chor ein Außenstehen der. Er ist das Bindeglied zwischen den Künstler:innen und dem Publikum. Wie wir befragt er die Oper und verlangt Erklärungen, die er allmählich auch bekommt.
Wir haben mit Martin Müller Reisinger schon sehr erfolgreich in DER TEUFEL MIT DEN DREI GOLDENEN HAAREN zusammengearbeitet. Inzwischen sind wir befreundet. Martin ist ein hoch origineller und außergewöhnlicher Spieler. Sein Part im FREISCHÜTZ ist ihm auf den Leib geschrieben.
Er hat im Alleingang die Lindenstraße zerstört und beendet. So jemand hat schon etwas Diabolisches und kommt neben dem Busfahrer für weitere Rollen in der Erzählung in Frage. Sie werden es schon sehen.
Das Lied vom Jungfernkranz singen in eurer Inszenierung die Damen des Opernchores. Laut Libretto wird Agathe dabei die Brautkrone überreicht, die sich als Totenkrone entpuppt. In der Oper ist das ein (weiterer) Schreckmoment. Welche Aspekte sind euch in dieser Szene wichtig?
Hier zeigt die Oper ihr ganzes Können. Weber hat mit den kurzen Pausen und den kleinen Sekundschritten in den Bratschen schon ein ungutes Gefühl in das nur scheinbar harmlose Volkslied hineinkomponiert. Das klingt beinahe wie bei David Lynch. Die Musik erzählt die Doppelbödigkeit dieser Szene. Unsere Aufgabe ist es, sie auch in unserer szenischen Umsetzung herauszukitzeln. Der Jungfernkranz ist in unserer Rahmenhandlung eine Schlüsselszene. An diesem Punkt beschließt die Sängerin, sich nicht mehr von der Wald Gesellschaft abzusondern, sondern das Spiel von Gewalt und Verrohung, das allmählich immer schlimmer wird, mitzuspielen, wenn auch zu ihrem eigenen Schaden.
Als Performance-Gruppe steht ihr in euren Stücken meist selbst auf der Bühne. Spielt ihr auch diesmal in der Oper mit?
Leider nicht. Es gab Überlegungen, dass wir uns unter den Chor mischen oder abwechselnd die Figur des Busfahrers spielen. Wir haben auch kurz erwogen, die Agathe zu übernehmen. Aber aus logistischen und finanziellen Gründen war dies nicht möglich, es hätte auch viel mehr Probenzeit gebraucht. Außerdem sind wir eine fahrende Truppe, Theater Nomaden, für mehr als zwei Inszenierungen wollte uns noch niemand länger an einen Ort binden.
Allerdings ist eine Oper so groß und viel schichtig, dass man sich gut in ihr verstecken kann. Hitchcock hat das in seinen Filmen auch immer gemacht. Es würde mich also nicht überraschen, wenn wir ab und zu irgendwo zu entdecken wären.
Wir halten es damit Mimikry und Mimese. Wir sind der Wald und auch die Doppelgänger:innen der Sänger:innen, als Menetekel.
Im Finale der Oper zelebriert die Musik ein Happy-End mit strahlendem Chorfinale in C-Dur, denn Agathe ist gerettet und Max begnadigt. Alle preisen Gottes Gnaden. Wie geht ihr mit dieser Macht um?
Das ist musikalisch großartig und die Wucht des Gesangs von Chor und Solist:innen sorgt gemeinsam mit dem Orchester dafür, dass sich alle Körperhaare in alle Richtungen auf stellen.
Kein Chor kann ewig einen Ton halten. Irgend wann geht jeder und jedem mal die Luft aus. Dann ist auch Schluss mit CDur.
Die Obrigkeitsverehrung dieser Szene hat aus unserer heutigen Perspektive etwas Erschreckendes. Alle beugen sich vor Ottokar, Ottokar beugt sich vor der Kirche, die Kirche beugt sich vor Gott.
Inhaltlich geht das heute überhaupt nicht mehr oder vermutlich nur für tiefreligiöse Menschen, die keine Zeitung lesen und sich nur ihrem Glauben widmen. Wir haben des wegen eine begleitende Handlung hinzugefügt, die den Inhalt des Finales konterkariert. *
Die Szene vermittelt außerdem das Bild einer streng hierarchischen Gesellschaft ohne soziale Mobilität. Richtig liegt, wer seinen Platz in der Gemeinschaft ohne zu murren akzeptiert. Allerdings hätten das heute einige gerne wieder so. Das ist sehr beunruhigend. Unsere WaldGesellschaft hat sich in der Rahmenhandlung auch in diese Richtung entwickelt. Zum Glück gibt es eine Person, die bei all dem einen klaren Kopf behält und am Ende Rettung bringt.
Der Wald ist ein von Bedeutung befreiter Ort. Statt simple Aussagen zu treffen, stellt er komplexe Verbindungen her und führt vom Hundertsten ins Tausendste. Er lädt ein, seine inneren Zusammenhänge zu untersuchen. Darin gleicht er der Kunst – besonders der Musik.
Showcase Beat Le Mot