Burn Cities Burn
Weltuntergangsproduktion im Bunker. Für die Produktion hatten wir uns über mehrere Tage in einen verdunkelten Raum eingeschlossen. Präsentiert wurde in alten Kinos, unterirdischen Fabriketagen, der Garage eines Freundes. Themen u.a.: Pilze, Pillen, Akkustik Gitarren Spanking und Harry Belafonte. Burn Cities Burn markiert den Beginn langjähriger Künstler*innen Freundschaften in Finnland und Estland.
Credits
Idee & Umsetzung: Showcase Beat Le Mot / Musik: Albrecht Kunze
Burn Cities Burn ist eine Prouktion von Showcase Beat Le Mot.
Besprechungen
.... Die besondere Qualität von Showcase Beat Le Mot: Sie stellen Atmosphäre her und intensive Stimmungen. Mit spielerischer Leichtigkeit skizzieren Showcase das Lebensgefühl der um die 30-Jährigen. Traditionalisten mögen das für Trash halten, Menschen, die sonst eher in Clubs oder Konzerte gehen, genießen es - und erleben viel mehr als bei „Big Brother“... Sie trinken und rauchen, ein Performer bastelt sich Schuhe aus Luftpumpen und trainert damit seine Waden. Aus Reifen und Pullovern entstehen Monster-Puppen, die zum Belafonte-Playback ihre Mäuler bewegen: „Day-0, day-ay-ay-o“. Mit Lichterketten umwickelt werden die Darsteller zu wunderschönen beweglichen Lichtskulpturen. Sie erzählen Geschichten: über das Sterben und die Städte. Die Männer fühlen sich dabei offensichtlich mit freiem Unterleib besonders wohl, sie tragen selten mehr als dreizehn Pullover übereinander.…
(Hamburger Morgenpost, 27.03.2000, Nele-Marie Brüdgam , „Viel mehr Action als bei Big Brother - Intensive Live-Art: Showcase Beat Le Mot auf Kampnagel“)
„...Ihrem Ruf als Theaterprovokateure gerecht werdend, haben die fünf Mitglieder von Showcase das mit Dreadlocks Perlen und Goldgeschmeide geschmückte Publikum, zunächst ganz vorsichtig in ihre Geschichten geleitet. In dem zweistündigen unprätentiösen Fest zeigen Showcase zuerst die Bedingungen der Menschheit und der Stadt unter den Einflüssen der westlichen Infrastruktur. Aber unter der Verwendung des Spiels: „was wäre, wenn alles verschwinden würde“ beschreibt Burn Cities Burn auch den umgekehrten Weg: was geschieht, wenn sie sich freiwillig entscheiden aus allem was Realität genannt wird auszusteigen. Und an dieser Stelle beginnt die Party....“
(Jutarnji List, 23.06.2000, Auftritt der amtlichen Provokateure Showcase Beat Le Mot zeigen „Burn Cities Burn“ in Zagreb)
"Der Ort ist wie geschaffen. Eine stillgelegte Kabelfabrik, ein aufgegebener Heizungskeller. Die Geschichte vom Leben nach der großen Katastrophe kann nirgends besser beginnen als in dieser leergeräumten Fertigungshalle in Helsinki. Fünf Männer in Overalls erzählen mit Bauchrednerstimme von den letzten Tagen der zivilisierten Menschheit. Zwischen Daumen und Zeigefinger halten sie ein Hühnerei, das mit einem Mondgesicht bemalt ist. Und während sie die bemalten Hühnereier von der Apokalypse erzählen lassen, wird es immer finsterer in der Fabrikhalle, weil das einzige Licht von drei dynamobetriebenen Taschenlampen herkommt und die Akkus schon wieder leer sind. Plötzlich macht es Klatsch! Die Eier landen an der Betonwand und leuchten gelborange im schwachen Schein der Lampen.
Dann geht's hinab in den Heizungskeller. Dort ist es auch stockdunkel, und die Dynamolampen produzieren mehr Schatten denn Licht. Zum Glück erhielt jeder der annähernd hundert Besucher am Eingang eine Wegwerfkamera mit Blitzlicht. Flash! macht es dann allenthalben aus den unterschiedlichsten Richtungen, in die die Zuschauer gestolpert sind. Im Hagel der Blitzlichter erhellen sich für eine Folge von Sekundenbruchteilen die Bühne und die Künstler, die sich gerade - man erkennt es nur schwach - einen Pullover über den anderen anziehen und unterhalb der Gürtellinie nackt dastehen.
So beginnt das Projekt Burn cities burn der Hamburger Theatergruppe Showcase beat le mot, die im Rahmen der ArtGenda 2000 in Helsinki aufgeführt wurde. Helsinki ist in diesem Jahr zusammen mit acht weiteren Städten Kulturhauptstadt Europas und wartet mit vielfältigen künstlerischen Darbietungen auf. Unter dem Motto "Alive in the city" stellen junge Künstler aus den Ostseeanreinerstaaten Projekte und Aufführungen vor, die sich um das Leben in der Stadt drehen.
Die Künstlergruppe Showcase beat le mot hat ihr Projekt Burn cities burn bereits in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel aufgeführt und damit zwiespältige Reaktionen beim Publikum hervorgerufen. In Helsinki debütierte sie mit einer englischsprachigen Version ihres Stücks.
Sprache kommt darin zwar nur in einzelnen Passagen vor, entfesselt dann aber eine ungeheuer knisternde Atmosphäre, beispielsweise, wenn sich die Künstler plötzlich direkt an die Zuschauer wenden und gleich Geschichtenerzählern Handlungsfäden ohne Anfang und Ende entrollen, die an Textkollagen aus Comics, Science Fiction-Romanen und Sachbuchtexten erinnern und dabei so etwas sind wie die vage Antwort auf die Frage, wie das alles passieren konnte, das mit der Apokalypse. Dann folgen wieder Passagen, in denen lange kein Wort fällt und auch sonst außer bunten Lichtspielen kaum Bewegung auf der Bühne ist. Dafür schwappen zeitweilig aus einer kaum auszumachenden Entfernung und leicht blechern US-Schlagerschnulzen aus den Fünfzigern herüber, und spätestens hier hat man Zeit zum Nachdenken und Sich-Erinnern an die gute alte Zeit, als das Leben noch so war, wie diese Musik, so beschwingt und leicht und auch kitschig natürlich.
Das postinfernale Leben hat sich längst seine eigene Idylle erschaffen, seine eigenen Partys, Bräuche und Exzesse. Dabei wird nach dem Totalverlust der früheren Kultur offensichtlich gerade das Regressive lebensbestimmend. Besonders Sexualität wird mehrheitlich auf minder entwickelter Stufe gelebt und erlebt, zum Beispiel in sado-masochistischen Auswüchsen oder exhibitionistischen Darbietungen.
Kitsches Schwester ist die Nostalgie, sie darf nicht fehlen. Es gibt in dem Stück eine Reihe sehr lustiger und atmosphärisch dichter Szenen, die scheinbar leicht daherkommen und mit ihrer Unbekümmertheit überraschen, beispielsweise die Inszenierung eines alten Belafonte-Klassikers mit großen, aufgeblasenen Gummischläuchen, die wie Lippen zum Text des Liedes auf und zu gehen, oder die in schummriges Rotlicht getauchte Digeree-Doo-Nummer. So soll es auch sein, das Leben unter den brennenden Städten: witzig und ein bisschen wie ein Sonnenuntergang im Himalaja.
Das Ende aller Enden ist gewiss immer endlos langweilig. Auch in der Stadt. Diesen Aspekt hat Burn cities burn ebenfalls inszeniert. Einige Passagen wirken introvertiert, so als ginge es in ihnen vorrangig darum, dass die Künstler ihren Spaß an der eigenen Show haben. Andere kommen improvisiert daher, nicht unbedingt spontan, sondern eher verdächtig locker aneinandergereiht. Vielleicht ist das wirklich so gewollt, denn die Gruppe arbeitet bewusst ohne Regisseur und ohne klar abgegrenzte Aufgabenteilung. Entscheidend sollte jedoch sein, ob dieses Konzept der Kommunikation beim Publikum ankommt. Was diesen Aspekt betrifft, konnte man sich des Eindrucks nicht erwähren, dass Showcase beat le mot Lässigkeit gelegentlich mit Nachlässigkeit verwechselt haben."
(Freitag, Moritz de Grancy, Nackte Männer im Bunker – Artgenda 2000 in Helsinki)