Interview mit:
Berliner Zeitung über die Produktion On nO
Brandherd von Ideen - Stromsturm für Elektra
Theatertechniker besitzen das geheime Wissen darüber, was auf der Bühne wirklich möglich wäre, wenn die Maschinerie nur endlich einmal von der Leine gelassen würde. Die Performergruppe Showcase Beat le Mot holt in "On#nO" im HAU das gesammelte Technikerwissen auf die Bühne.
In eurer neuen Inszenierung arbeitet ihr mit sechs Technikern des HAU. Was können und wissen Techniker, das in "On#nO" Stoff und Thema des Stücks wird?
Theatertechniker sehen mehr Theater als alle anderen Menschen auf diesem Planeten. Sie sehen mehr als die Theaterzuschauer, die sich vielleicht einmal im Monat ein Stück anschauen, das sie interessiert. Sie sehen mehr als die Theatermacher, die sich meistens für die Stücke anderer Leute nicht besonders erwärmen können. Sie sehen auch mehr als die Intendanten und Dramaturgen, die von einer Produktion meist nur ihr Endergebnis mitbekommen. Theatertechniker schauen sich jedes Stück, in dem sie mitwirken, viele Male an, egal, wie grauenhaft es ist. Zugleich erleben sie die Entstehung, teils von innen, da sie ja mitmachen, teils aber auch wie Zuschauer, die vom Technikpult aus in aller Ruhe dabei zusehen, wie sich die Künstler auf der Bühne gegenseitig anschreien. Das alles bringt eine schöne Abgebrühtheit mit sich, eine Würde und eine Art Weisheit nach dem Motto: "Regt euch nicht auf, Kinder. Das haben wir alles schon oft erlebt."
Die Premiere als ein Endergebnis, das vor die Zuschauer hingestellt wird, ist doch immer nur die Spitze des Eisbergs. Theater fängt nicht mit der Premiere an und hört auch nicht damit auf. Die Theatertechnik verkörpert das Leben im Off, hinter der Bühne, vor und nach der Aufführung, einen Aspekt, den wir schon immer viel interessanter gefunden haben als das Gehampel von Schauspielern im Scheinwerferlicht. Bei vielen Aufführungen sind die Umbaupausen die Höhepunkte des Stücks. In "On#nO" sind die Umbaupausen das Stück.
Was sind eure Erfahrungen mit dem "Geheimwissen" von Technikern im Theater?
Es gibt tatsächlich Geheimnisse, die sorgfältig gehütet werden. In jedem Theater gibt es Räume, zu denen nur die Techniker Zutritt haben. Solche Räume bieten der Technik die Möglichkeit, von nervigen Regisseuren eine Zeitlang in Ruhe gelassen zu werden. Zum anderen laden sie sich als Heterotopie innerhalb der Heterotopie des Theaters unglaublich mit Phantasien und Wunschprojektionen auf, vor allem bei denen, die eben keinen Zutritt haben. Das Tonlager, der Schnürboden, die Unterbühne, die Versenkung, die Drehbühnenmechanik, der Dimmerraum . Das alles sind Teile einer Maschinerie, die für die Erzeugung von Wundern hergerichtet worden ist. Wenn wir Zugang zu diesen Räumen bekommen, hat das einen ähnlichen Effekt, wie wenn uns ein Zauberer einen verblüffenden Trick verrät. Geheimnisse gibt es aber auch auf anderer Ebene: Keiner kennt die personellen Verflechtungen innerhalb eines Theaters so gut wie die Techniker - die Intrigen, die heimlichen Hierarchien, die persönlichen Spleens von Künstlern und Organisatoren, den Aberglauben, die Rituale hinter der Bühne. Auch hierbei ist die Technik oft außen vor und hat die Möglichkeit, dieses Spektakel distanziert und mit Humor anzuschauen.
In euren anderen Arbeiten steht ihr als Regiekollektiv auch auf der Bühne. Wer steht als Spieler in "On#nO" auf der Bühne, und wer kümmert sich um die Technik dahinter?
"On#nO" ist insofern ein Ausnahmefall, als wir beschlossen haben, die Bühne tatsächlich zu räumen und ganz den Technikerinnen und Technikern zu überlassen. Normalerweise ist es uns wichtig, in unserer Arbeit auch die eigene Haut zu Markte zu tragen. Aber nachdem uns unsere Freunde von der Technik nun schon seit elf Jahren beobachten, kommentieren, kritisieren und liebevoll verarschen, wollen wir in diesem Stück einmal den Spieß umdrehen, indem wir sagen: "So Freunde, wenn ihr so schlau seid, dann macht das mal selber." Zu unserer großen Überraschung stieß dieses Ansinnen auf viel Gegenliebe. Denn alle Techniker, mit denen wir in unserem Kontext zusammengearbeitet haben, sind auch Künstler, die ihre Wünsche mit sich herumtragen in Form einer Liste von Dingen, die sie schon immer mal auf der Bühne machen wollten. Das Problem bisher war, dass es ihnen nie jemand erlaubt hat, weil die Künstler immer ihre eigenen Vorstellungen mitbringen und umsetzen wollen. Bei der Technik löst das oft große Enttäuschung aus, weil diese Wünsche meistens hinter den Möglichkeiten weit zurückbleiben. Jetzt bekommen wir endlich einmal eine Situation, wo die Theatertechnik an die Grenze ihrer Möglichkeiten stößt