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1534

1534 wird das christliche Abendland von Todesängsten heimgesucht, so wie jedes Mal, wenn die Gesellschaft von tief greifenden Umwälzungen erschüttert wird. Unterdessen retten sich die in ganz Mitteleuropa verfolgten Wiedertäufer nach Münster in Westfalen, um dort ihre Vorstellungen von einer freien Gesellschaft in die Tat umzusetzen. Sie experimentieren mit freier Liebe, polygamen Haushalten, Drogen, Massenorgien, mystischen Ritualen und Erlösungszeremonien, bis die Truppen des Bischofs Franz von Waldeck die belagerte Stadt einnehmen, die Revolutionäre hinrichten und zur Abschreckung in eisernen Körben am Turm der Lambertikirche aufhängen.

Es gibt ein bestimmtes Bild vom Mittelalter. Dunkel soll es gewesen sein, voller Gefahren und Krankheiten, Irrglauben und Gottesbeweisen. SCBLM zweifelt an diesem Bild und bringt Licht ins Dunkel. Nicht nur ein paar Kerzen, sondern ganze Bataillone von Lampen, die noch die düstersten Ecken beleuchten. SCBLM fügt dem festgefahrenen Bild des Mittelalters eigene Bilder hinzu. Hieronymus Bosch und Lucas Cranach werden in Neonfarben getaucht. Die Bauern werden mit Vitaminen überschüttet, bis ihr Urin leuchtet. Die Leibeigenen können aus den einfachsten Zutaten Gold erschaffen, soviel Gold, dass die Straßen damit ausgebessert werden. Der Klerus und der Adel werden mit einer neuen Form des Singspiels ruhig gestellt. Gott trägt Markenklamotten mit Sponsorensignets, und Satan beginnt so schlecht zu singen, dass sich später doch wieder alle einig sind, in einer furchtbaren Zeit gelebt zu haben.

 

 


Credits

Eine Koproduktion von Showcase Beat le Mot, Hebbel am Ufer Berlin, Donaufestival Krems, dem Theater im Pumpenhaus Münster und WUK Wien.                                                                                                                 Gefördert durch den Regierenden Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei – kulturelle Angelegenheiten und das Nationale Performance Netzwerk im Rahmen der Koproduktionsförderung aus Mitteln des Tanzplan Deutschlands der Kulturstiftung des Bundes.

Performance, Text, Raum, Kostüme: Showcase Beat Le Mot, Musik: Thies Mynther, Magie: Manuel Muerte Choreographie: Minako Seki, Showcase Beat Le Mot, Bauten: Christian Wenzel, Atia Trofimoff, Ton: Paul Ratzel, Licht: Ruprecht Lademenann, Video: Catalina Fernandez, Grafik: Ruth May, Assistenz: Melina Gerstemann, Produktionsleitung: Olaf Nachtwey


Besprechungen

  • Zum Donaufestival 2010 – failed revolutions“ von Christine Standfest, CORPUS

...Showcase können das, mit einer über viele Jahre entwickelten Ästhetik zwischen zeitgenössischer Performance, Brecht und Monty Python. Sie können Geschichte erzählen und dabei wechseln zwischen Bericht, dem Gestus des Zeigens und, im Spiel mit Bildern und Körpern in Situationen, die Geschichten gleichzeitig füttern und in Zweifel ziehen. Und dass sie dabei kaum Peinlichkeiten auslassen und das Lächerliche wagen, hat tatsächlich viel mehr mit Verfremdung zu tun als mit Ironie....

  • Arm, faul und ohne Einfluss“ von Isabell Steinböck, Westfälische Nachrichten

....Die vier Darsteller, in der Ankündigung treffend als die „beste Boy-Group des deutschen Gegenwartstheaters“ beschrieben, setzen auf Optik und sinnlich Erfahrbares, in einer Performance, die sich humorvoll dem Thema rund um Anarchie und Weltherrschaft widmet und dabei unweigerlich auf menschliche Abgründe stößt....

  • Als es Münster an Monogamie mangelte“ von Doris Meierhenrich, Berliner Zeitung

...Immer gibt es mindestens zwei Arten, die Welt zu betrachten: die analytische (Gehirn-Haus) und die synthetische (Wolken-Haus), das Zerlegen einer Mechanik oder das Verbinden zu einem Sinn. Als geübte Dialektiker schreiten Showcase Beat Le Mot diese Pole sorgsam ab und gelangen immer genau dort hin, wo das Entweder-Oder liegt...

 


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